„Ihr Hit ‚Er gehört zu mir‘ von 1975 wurde in queeren Clubs später zur Befreiungshymne – warum glauben Sie, hat dieser Song gerade in der LGBTQ-Community so starken Widerhall erfahren?“
Ich glaube, weil der Song etwas ganz Elementares sagt: das Recht, zu lieben, wen man liebt – ohne Erklärung, ohne Entschuldigung. „Er gehört zu mir“ war nie als Hymne geplant, aber Lieder finden ihre Menschen. Wenn ein Stück jemandem Mut macht – bei einem Coming-out, auf einer Tanzfläche, bei einer Hochzeit – dann ist das für mich das Schönste als Künstlerin.
„Sie sind als Ikone der Schwulenbewegung bekannt – wie haben Sie dieses Rollenbewusstsein in Ihrer Karriere erlebt und weiterentwickelt?“
„Ikone“ ist ein großes Wort (lacht). Ich sehe mich als Freundin und Verbündete. Die Community hat mich nie auf ein Podest gestellt, sondern an die Hand genommen – und ich sie. Dieses Geben und Nehmen hat mich gelehrt, frei zu sein, authentisch zu bleiben und meine Bühne immer auch als sicheren Ort zu denken.
„Was bedeutet Ihnen persönlich die Schirmherrschaft für die Christmas Avenue – und inwiefern spiegelt sich in diesem Engagement Ihr Einsatz für Vielfalt und Toleranz wider?“
Die Christmas Avenue steht für Wärme, Sichtbarkeit und Zusammenhalt – mitten am Nollendorfplatz, einem historischen Ort der Berliner Queer-Geschichte. Dort zu unterstützen, heißt für mich: Haltung zeigen. Wir feiern, aber wir senden auch ein klares „Ja“ zu Vielfalt und Respekt – gerade in Zeiten, in denen beides verteidigt werden muss.
„Welche Botschaft möchten Sie gerade in der Weihnachtszeit via Christmas Avenue vermitteln – und welche Rolle spielt dabei das Thema ‚Liebe ist Liebe‘?“
Weihnachten ist das Fest der Liebe – und Liebe braucht keine Etiketten. „Liebe ist Liebe“ sollte selbstverständlich sein, aber manche Selbstverständlichkeiten brauchen Stimme und Wiederholung. Wenn wir an diesen Tagen Brücken bauen – zwischen Herzen, Generationen und manchmal über alte Mauern hinweg – dann hat Musik ihren Zweck erfüllt.
„Ihr Song ‚Bunter Planet‘ ist eine klare Botschaft für Offenheit und Akzeptanz – wie wollen Sie damit Menschen erreichen und ermutigen?“
„Bunter Planet“ ist ein Hoffnungslied. Es erinnert daran, dass Vielfalt kein Risiko ist, sondern unser größter Reichtum. Ich möchte Menschen ermutigen, Farbe zu bekennen – im besten Sinn: für sich selbst, füreinander, für eine Welt, die Platz lässt.
„Sie sind seit über 55 Jahren im Showbusiness – wie hat sich Ihr persönliches Verständnis von Liebe, Identität und Verantwortung über die Jahrzehnte verändert, insbesondere im LGBTQ-Kontext?“
Früher war vieles unausgesprochen. Heute dürfen wir laut sein – und das ist gut so. Mein Verständnis von Liebe ist größer geworden, freier. Verantwortung heißt für mich, diese Freiheit zu schützen – auf und neben der Bühne. Dass ich noch immer neue Kapitel öffnen darf – von „Ich bin wie du“ und „Marleen“ bis zu "Im Namen der Liebe", "Diva" und "Bunter Planet" – verdanke ich auch einer Community, die mich über Jahrzehnte trägt.
„Viele LGBTQ-Menschen sagen, Ihre Lieder haben sie durch schwierige Zeiten getragen – haben Sie selbst auch Momente erlebt, in denen die Community für Sie da war?“
Unzählige. Gerade in Phasen, in denen Mainstream-Winde rauer wehten, war die Community treu, ehrlich, liebevoll. Diese Nähe hat mich geerdet – künstlerisch und menschlich. Dafür empfinde ich bis heute Dankbarkeit.
„Wenn Sie heute auf die junge queere Generation schauen – was beeindruckt Sie am meisten an deren Mut und Offenheit?“
Wie selbstverständlich viele heute zu sich stehen. Diese Generation denkt weniger in Schubladen – sie sprengt sie. Darin sehe ich das, wofür so viele so lange gekämpft haben: Freiheit im Herzen – und die Gelassenheit, sie zu leben.
„In den 70ern war es noch ein Tabu, offen über Homosexualität zu sprechen – wie nehmen Sie die Entwicklung bis heute wahr?“
Es hat sich viel bewegt – zum Glück. Aber Rechte sind nie endgültig, sie brauchen Schutz. Ich schaue mit Freude und Wachsamkeit zugleich: von einem Lied, das 1975 in einer TV-Vorausscheidung noch unterschätzt wurde, das später aber zu einem Lebenslied vieler wurde – bis zu einer Gegenwart, in der wir offen lieben und feiern und gleichzeitig die Stimme erheben, wenn Freiheit unter Druck gerät. Und ja – ich bringe diese Botschaften auch live auf die Bühne. Die Bunter-Planet-Tour erinnert mich jeden Abend daran, warum wir Musik machen: um uns zu verbinden.
















